Die Herren sind Warmduscher
Der Nikolaus-Vierer 2023
„Bei uns kommt nur kaltes Wasser aus’m Hahn!“ Nikolaus-Vierer 2023, Michael, Haus- und Materialwart, hat beim Nik4er eigentlich so Aufgaben wie Wendeboje setzen, Start- und Zielbereich markieren, dafür sorgen, dass ganz im Allgemeinen der Laden läuft, muss aber jetzt erst einmal gucken, wieso in der Damen-Umkleide nur kaltes Wasser aus dem Duschkopf kommt. Eigentlich eher eine kleinere seiner Herausforderungen an so einem Tag, an dem mehr Gäste das Bootshaus der Mainzer Ruder-Gesellschaft bevölkern, als der Verein Mitglieder hat.
War einfach zu lösen: Irgend jemand aus dem männlich gelesenen Spektrum der Ruderwelt hat sich als Warmduscher geoutet, die Hauptregler für die Herren auf 100, für die Damen auf 0 gedreht, und da stehen also die Herren in ihrer Dusche unter dampfend heißem Strahl, während die Damen frieren. Muss man nicht verstehen. Michael macht in solchen Fällen den Buddha: „Was passieren kann, passiert!“ Und weil die sanitären Anlagen der Mainzer Ruder-Gesellschaft ja gerade erst saniert worden sind, weiß er, wo er gucken muss. Um sich dann um die wirklich wichtigen Dinge des Tages zu kümmern.
Das Schöne ist, er muss sich um gar nicht so viel kümmern. An Tagen wie diesen greift nämlich in der MRG ein Räderwerk ineinander, das – keine Ahnung, ob einzigartig im Vereinswesen, aber auf jeden Fall – manchen Großkonzern vor Neid erblassen lässt.
Ulrike und Matthias haben seit Wochen die Meldungen sortiert; und die ändern sich dauernd: „Oh, sorry, ich sitze jetzt doch mit einer anderen Altersgruppe im Boot“ „Kann ich auch mit vier verschiedenen Vereinen in einem Boot sitzen?“ „Ich weiß, ich bin zu spät, aber ich komme doch bestimmt noch unter?!?“ „Wir kommen jetzt doch mit sieben statt mit drei Booten, liebe Grüße ..!“ Und am Tag des Nik4ers kommen tatsächlich alle unter.
Stefan hat dafür gesorgt, dass jeder Gast einen Parkplatz findet, der OB – sollte er kommen – genauso, wie die Kameraden aus Berlin Grünau, die die längste Anreise in diesem Jahr haben. In der Küche sorgt Anne dafür, dass der Glühwein heiß und die Mettbrötchen knackig sind. Am Grill hat Jürgen dafür gesorgt, dass er auf dem Wasser die Startnummer 1 hat, damit er anschließend für alle Ruderinnen (Männer sind mitgemeint) spätestens ab Startnummer 4 gegrillte Bratwürste vom Mombacher Metzger bereit hält. Ja: Das Etikett “Mombacher Metzger” ist ein Qualitätsmerkmal; so viele Metzger gibt es im Mainzer Raum nämlich nicht mehr und dieser ist unter den Wenigen einer der richtig guten.
Aber… das Thema ist ja Nikolaus-Vierer. Am Freitag waren wieder mal alle da, um den großen Saal der MRG aus- und umzuräumen – da stehen momentan zusätzlich immer Ergometer, Gewichte, Hanteln, Trainingsmatten und so weiter und so fort, weil unsere Rennruderer ja irgendwo trainieren müssen, um dann – huch – Deutscher Jugendmeister im Sprint zu werden … Cheers, Len und Elias! Der neue Trainingsraum ist noch nicht ganz fertig, er entsteht gerade direkt nebenan. Wir schätzen, dass wir im wienenntmandas? Spätfrühling Eröffnung feiern.
45 Minuten hat’s gedauert, da war der Saal auf Nikolaus-Vierer umgebaut. Der Organisationsleiter hatte eigentlich – die müssen ja arbeiten und kommen dann erst nach und nach – mit zwei Stunden gerechnet, aber sei’s drum: Die Freiwilligen waren schneller, und also wurde es schneller gesellig. Man könnte sagen: Typisch MRG. Aber das ist dann auch so eine Binse.
Uhrwerk. … Es ist Jahr 2 nach Corona. 2022 gab es bei der Zielerfassung ein paar Probleme, die die ein oder andere Korrektur nach sich zogen; aber da waren eben auch zwei Jahre mit diesem Dingens, aber eben ohne Nik4er ins Land gegangen. Jetzt, 2023, tickt das Uhrwerk: 7.30 Uhr – Kaffee, Croissants, Laugenbrezeln, allgemeiner Austausch. Bojen setzen, Regattabüro besetzen, auf Ansturm vorbereiten.
Und dann ist einfach … der Nikolaus-Vierer 2023 auf der Strecke!
In gewissen Bereichen hält sich die MRG verständlicherweise zurück: Als nikolausigstes Boot ein MRG-Boot zu prämieren, hätte ein Gschmäckle. Dennoch sind in diesem Jahr so viele MRG-Boote auf dem Podium, wie lange nicht mehr. Das geht mit Aron los. Der ist seit Mai 82 Jahre alt. Und damit der älteste Teilnehmer des diesjährigen Nikolaus-Vierers. Gewonnen hat er dann auch im Boot: Rennen 13, Masters-Männer 4x+, H.
Den höchsten Altersdurchschnitt indes bringen die Speyerer ins Boot. Da rudert ein gesteuerter Vierer über die Strecke, der – im Schnitt – 76 Jahre zählt.
Das SWR-Fernsehen ist mit einem Kamerateam vor Ort und sendet am Dienstag, 5. Dezember, 18.46 Uhr in der Landesschau Rheinland-Pfalz diesen Bericht.
Das jüngste Boot – Altersdurchschnitt – ist 12 Jahre alt. Das sind die Ruderkameradinnen aus Weilburg, die überhaupt zum ersten Mal am Nikolaus-Vierer teilnehmen und im Rennen 1a, Mädchen 4x+, Anfänger, 14 Jahre u. jünger gleich abräumen – sie sind aber in dieser Kategorie auch die einzigen Kombattanten; das wollen wir der Vollständigkeit halber erwähnen und dennoch rufen: HERZLICH WILLKOMMEN BEIM NIKOLAUS-VIERER!
Am Start waren schließlich 91 Boote. 100 waren zugelassen, aber neun haben kürzestfristigst noch abgemeldet.
Um 15.20 Uhr läutet das Glöckchen im Bootshaus. Der MRG-Nikolaus betritt den Saal. Der Applaus ist groß, obwohl – oder weil? – alle wissen, dass sie gleich werden singen müssen! Nikolaus hat sich vom MRG-Newsletter inspirieren lassen, in dem es gerade hieß, er rocke das Bootshaus. So hat er sich von Klaus Lages Rock-Poem “1000 Mal berührt“ beeinflussen lassen und für die Anwesenden folgenden Refrain gedichtet:
Nikolausvierer heut
Nikolausvierer nie bereut
Skullen mit weißem Bart
Und es hat Zooom gemacht
So schallt es dann aus 400 Kehlen mehr oder weniger klangsicher durchs Bootshaus, und der ein oder andere fragt sich während des Singens heimlich, ob sie des korrekten Reims willen eher in der dritten Zeile “Bacht” (für “Bart”) oder in der vierten Zeile “Zooom gemart” (für “gemacht”) singen sollen.
Und so klatschen die Hände schon wieder für die RG Speyer, die das über alle Klassen hinweg schnellste Boot auf der Strecke hatte. Im Rennen 9 (Männer 4x+, A/B) ging das Boot der Speyerer nach 16 Minuten und 20 Sekunden über die Ziellinie. Schneller war niemand.
Ein Rekord, der beim Nikolaus-Vierer aber verblasst. Weil da geht’s ja vor allem um das nikolausigst geschmückte Boot.
In dieser Top-Kategorie geht der Frauen-Ruderverein ‘Freiweg’ e.V. Frankfurt als Erste*r durchs Ziel – das muss man so gendern, weil der ehemals rein weiblich besetzte Verein mittlerweile auch für Männer geöffnet ist und deshalb zeitweilig sogar unseren Nikolaus irritiert hat.
Das SWR-Fernsehen ist mit einem Kamerateam vor Ort und sendet am Dienstag, 5. Dezember, 18.46 Uhr in der Landesschau Rheinland-Pfalz diesen Bericht.
Text: Christoph Hartung / Fotos: Nadja Schenck & Christoph Hartung