Die Röcke werden kürzer
Der 31. Nikolaus-Vierer war wieder schöner als alle zuvor
Judith und ihre Damen vom Ruderverein Eltville sind etwas verschnupft – nicht virustechnisch gesehen, sondern emotional. Judith würde gerne endlich mal den Preis für das am nikolausiigsten dekorierte Boot bekommen. Deshalb haben sie sich eine clevere Strategie überlegt: „Wir treten jetzt so lange in unseren Nikolaus-Outfits an, bis Ihr das als das schönste Kostüm ehrt.“ – Es sind Kostüme, so viel kann man als unparteiischer Reporter im Dienste der MRG sagen, die glänzen, ja geradezu strahlen. Aber andererseits sind es eben einfach nur Nikoläusinnen, die da Ehrung erwarten zu einem Event, das „Nikolaus-Vierer“ heißt. „Aber wir kürzen unseren Rock jedes Jahr um zwei Zentimeter!“, ergänzen Judiths Damen, und bevor dem Reporter im Jahr 2 nach #MeToo die Verwicklungen klarwerden, die sich aus solchen Versprechungen ergeben können, denkt er sich: „Reizvoll!“
Und dann fällt ihm auf, dass der Nikolaus-Vierer ja eben nicht so eines dieser strengen Regatta-Dinger ist, sondern dass es da – eben – auch darum geht, sich und sein Boot aufzubrezeln.
Wobei die Eltviller sich am Ende des Tages nicht beklagen können. Zwar gehen sie bei den Deko-Ehrungen leer aus. Aber dafür ruft der MRG-Nikolaus die jederzeit lautstark Mannschaftsgeist johlenden Eltviller dreimal nach vorne, um sie als individuell Schnellste in ihrer Bootsklasse zu ehren. Aber die Eltviller hatten natürlich einen kleinen Standort-Vorteil. Sie haben in den vergangenen Wochen in unserem, dem Nik4er-Revier trainieren können. Sie waren Gast in der MRG, weil ihr Steg zehn Kilometer flussabwärts wegen des Niedrigwassers auf Grund liegt.
Was den Deko-Preis angeht, hat der Nikolaus in diesem Jahr etwas Besonderes gemacht: Er hat einen Preis außer Konkurrenz verliehen, nämlich an ein Boot mit MRGlern. Klar, ein hauseigenes Boot bei einem MRG-Event als das am nikolausiigsten dekorierte zu ehren, könnte auf Proteste stoßen. Aber das hauseigene Boot der ZDF-Sparte mit Viola Herr, Regina Lucius, Katharina Gerstenberger, Daniela Bender und Steuermann Frieder Borgmeier thematisierte immerhin eine interessante Wechselbeziehung zwischen (Steuer-)Mann mit Kettensäge und grünen, unschuldigen (weiblichen) Tannen. Auch hier könnte man unter #MeToo wahrscheinlich interessante Wortmeldungen evozieren. Aber wer Frieder kennt, weiß, dass er nicht ins Bild des häckselnden Kettensägenmonsters passt. Der MRG-Nikolaus stellte für die Außer-Konkurrenz-Performance der MRG-ZDFler einen Preis in Aussicht, den der 1. Vorsitzende demnächst überreichen wolle – hielt sich ansonsten aber, was Art und Umfang er Auszeichnung anging, im Ungefähren.
Den offiziellen Preis für das am nikolausiigsten dekorierte Boot erhielt die Startnummer 55; zwar auch ein Verein, der (wie die MRG) mit M beginnt, aber tatsächlich aus Mannheim kommt. Die „Badewanne“ des Mannheimer RC hatte es uns angetan (an dieser Stelle ein unauffälliger Wink nach Eltville, dass frau ja auch das Boot herausputzen könnte, statt einfach den Rocksaum zu kürzen).
Als enger Verfolger des Mannheimer RC erwies sich die Kasteler Ruder- und Kanu-Gesellschaft, die ein als Palmenlandschaft im Hawaii-Stil dekoriertes Boot ins Rennen schickte. Und damit sind wir nun endgültig im statistischen Teil des Textes: Es waren 117 Boote am Start. Es saßen 425 Aktive aus 42 Vereinen in den Booten – die meisten Aktiven stellten mit jeweils 32 Aktiven die Rudergesellschaft Speyer, die Rudergesellschaft Wiesbaden-Biebrich und der Mainzer Ruder-Verein. Am meisten Stress hatte das Organisationskomitee um Ulrike Jann und Matthias Kramp wenige Tage vor dem Wettbewerb mit einem Verein, dem offenbar bei der Umstellung auf eine DSGVO-taugliche Datenbank allerlei Daten seiner Mitglieder abhanden gekommen waren; das fiel dort aber erst kurz vor Meldeschluss auf und löste eine gewisse Hektik aus.
Das schnellste Boot – klassenübergreifend – hatte der Mainzer Ruder-Verein, unsere Nachbarn, die vier Kilometer rheinaufwärts residieren. Jörg Madwig, Mathias Riebold, Björn Steinfurth und Patrick Schnöll haben unter dem Kommando von Steuerfrau Louise Kindler einen Fabelrekord von Neunminutendreiundfünfzigsekunden hingelegt. Da dürfen wir mal unvoreingenommen von Herzen gratulieren, liebe MRVler!
Die stärkste Bootsklasse war die mit den neuen RuderInnen – 14 Boote sind hier gestartet; Lässt man den (im allgemeinen schon rudererfahrenen) Steuermensch außen vor, haben wir also 14×4 neue RuderInnen begrüßt. Herzlich Willkommen im Boot.
Bei dieser Debütanten-Klasse wird der MRG ganz warm ums Herz, denn beinahe hätten wir drei Boote mit Chancen aufs Wasser bringen können. Aber die Zeiten der modernen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ließen dann nur zwei Boote zu. Und die haben sich beachtlich geschlagen: Steuerfrau Katharina hat die Newbies Anja, Anne, Patrick und Stefan nur 31 Sekunden nach dem Spitzenreiter MRV ins Ziel gesteuert (12:13). Auch das zweite von Katharina gesteuerte Boot mit Sybille Wiese, Steffi Germann, Alexander Hoffmann und Michael Germann kam mit 12:57 nur 1:13 Minuten nach dem Sieger ins Ziel. Beachtliche Zeiten im erst siebten Ruder-Monat.
Während sich die Aktiven über die Drei-Kilometer-Distanz zogen, konnte man auf dem Bootsplatz den Tanz der Grillzangen verfolgen. Dort führten Heino und Jürgen Regie, drehten und schoben Brat- und Rindswürste über den Rost und von dort in die aufgeschnittenen Brötchen ohne überflüssige Schlenker; Ihre Zangen kamen sich nie ins Gehege. Geredet wurde wenig. Nicht, weil die alten Freunde sich etwa gram wären: Wenn Männer aber grillen, ist Fleisch ihre Sprache.
Der älteste Teilnehmer am diesjährigen Nikolaus-Vierer war Manfred Wendelborn vom RV Bad Ems (Jahrgang 1935), bei den Frauen Christel Nennstiel (Jahrgang 1936) vom FRV Freiweg Frankfurt. Ihnen gegenüber stehen die jüngsten RuderInnen: Lilly Hoch und Merle Wittmann, beide Jahrgang 2006, beide RG Speyer.
Und während die MRG nun hoffnungsvolle Teams für den Nikolaus-Vierer 2019 aufbauen wird – das Potenzial ist ja da –, warten wir gespannt, wie Eltville in der Kategorie Kostüm Maßstäbe setzen wird.
Text: Christoph Hartung / Fotos: Harald Braun und Christoph Hartung
Das schreibt die Presse über den 31. Nikolaus-Vierer
Allgemeine Zeitung aus Mainz: Nummer 70 ist am schnellsten
Lokale Zeitung, Mainz: Was für ein stimmungsvolles Sportevent
Speyer-Kurier: Zwei Siege beim Nikolaus-Rudern in Mainz